Lerntheoretische Grundlagen

Didaktischen und methodischen Überlegungen bei der Gestaltung von E-Learning-Angeboten liegen auch immer Vorstellungen zugrunde, wie Lernende mit Medien lernen. Kenntnisse über Lerntheorien sind für die Entwickler von E-Learning-Angeboten von großer Bedeutung, weil sich die Annahmen über Lernen und Wissen auch immer auf die Gestaltung von Lehr-/Lernumgebungen auswirken. Deshalb werden auf dieser Seite die lerntheoretischen Ansätze skizziert, die im Zusammenhang mit E-Learning am häufigsten diskutiert und kategorisiert werden.


Behaviorismus – Lernen als beobachtbare Verhaltensänderung
Das zentrale Merkmal für den Behaviorismus ist, dass Lernen als beobachtbare Verhaltensänderung gesehen wird – und zwar als eine Verhaltensänderung, die als Reaktion auf Umweltreize erfolgt. Lernen wird also als Reiz-Reaktions-Schema verstanden. Dieses Reiz-Reaktions-Schema wird auch als klassisches Konditionieren bezeichnet (Pawlow).Iwan Petrowitsch Pawlow (1849-1936) war ein russischer Mediziner und Psychologe. Berühmt wurde er durch seine Untersuchungen zum Verdauungsverhalten von Hunden. Er war davon überzeugt, dass Verhalten auf Reflexen beruhen kann (Theorie des bedingten Reflexes) und entdeckte das Prinzip der klassischen Konditionierung. Er erarbeitete wichtige Grundlagen für die Verhaltensforschung und legte damit den Grundstein für die behavioristischen Lerntheorien.Der US-amerikanische Psychologe SkinnerBurrhus Frederic Skinner (1904-1990) war ein US-amerikanischer Psychologe und der prominenteste Vertreter des operanten Konditionierens. Er erfand das sogenannte „programmierte Lernen“. hat den Ansatz des klassischen Konditionierens erweitert und untersuchte das sogenannte operante Konditionieren. Dieses basiert darauf, dass das Individuum aktiv ist und unterschiedliche Konsequenzen auf gezeigtes Verhalten erfolgen können. So kann erwünschtes Verhalten verstärkt (durch Belohnungen) oder unerwünschtes Verhalten bestraft (durch Sanktionen) werden. Diese Theorie besagt also, dass der Lernprozess von außen durch den Lehrenden „steuerbar“ ist.

Die erste Generation von Lernprogrammen war stark von behavioristischen Ansätzen geprägt. Die Lernenden werden dabei als relativ passive Empfänger von Informationen gesehen.Ein gutes Beispiel für die Umsetzung des Behaviorismus ist das so genannte Modell der programmierten Instruktion (Ende der 1960er). Es diente als Grundlage für die ersten Lernprogramme, die i. d. R. Computerprogramme (sog. CBT) waren, die Abfolgen von kleinen Frage-Antwort-Sequenzen mit steigendem Schwierigkeitsgrad enthielten. Auf die Antworten erfolgte eine direkte Rückmeldung mit dem Ziel, durch wiederholte Übung bestimmte Fertigkeiten zu trainieren (sog. Drill-and-Practice-Programme).


Kognitivismus – Lernen als Prozess der Informationsverarbeitung
Im Mittelpunkt dieser Theorien stehen kognitive Phänomene wie Wahrnehmung, Gedächtnis, Denken, Problemlösestrategien – als wichtige Aspekte beim Erwerb von Wissensstrukturen. Lernen wird als Prozess der Informationsverarbeitung verstanden. Dies bedeutet: Es werden kognitive Strukturen entwickelt, diese werden immer wieder verändert und dabei wird Wissen aufgebaut. Wissen wird dabei als Menge von Fakten (deklaratives Wissen)Deklaratives Wissen bezieht sich auf das Wissen um Fakten, die sprachlich in Form von Aussagesätzen beschrieben werden können. und Regeln (prozedurales Wissen)Prozedurales Wissen bezieht sich auf das Wissen um Handlungsabläufe (z.B. Fahrrad fahren, Schwimmen), wobei diese häufig nicht sprachlich formuliert werden können. Beispielsweise können viele Menschen Fahrrad fahren, ohne sich der einzelnen Aktionen tatsächlich bewusst zu sein, die für diese Tätigkeit notwendig sind. aufgefasst.

Die Lernprogramme der zweiten Generation basieren auf kognitivistischen Ansätzen. Größte Neuerung gegenüber behavioristisch orientierten Programmen ist die sog. Instruktionskomponente, mit deren Hilfe Lerninhalte systematisch dargestellt und Zusammenhänge vermittelt werden (sog. Tutorielle Systeme). Für kognitivistisch gestaltete Lernumgebungen werden folgende Gestaltungsprinzipien formuliert:

  • Der Lernende soll bzgl. der Bearbeitungsschritte und der Reihenfolge der Inhalte Steuerungsmöglichkeiten haben.
  • Lerninhalte sollen realitätsnah dargeboten werden, damit die neuen Informationen viel leichter in die bestehenden Wissens- und Denkstrukturen eingeordnet werden können.
  • Lernenden sollen Hilfen angeboten werden und zwar ausgerichtet am aktuellen Lernstand und am Lernfortschritt (z.B. ein Feedback).

Konstruktivismus – Lernen als aktive Konstruktion
Zentrales Merkmal aller konstruktivistischen Ansätze ist, dass Lernen als aktiver Konstruktionsprozess aufgefasst wird. Wissen wird nicht als Ergebnis von Wissensübertragung verstanden – von einer Person zur anderen, sondern als eigenständige Konstruktion der Lernenden gesehen. Neues Wissen wird dabei mit vorherigem Wissen verknüpft, wodurch neue Strukturen gebildet werden. Nach konstruktivistischer Auffassung sind Lernwege damit individuell und daher nicht „vermittelbar“. Lehren im allgemein üblichen Verständnis ist dementsprechend nicht möglich, stattdessen wird von Lernbegleitung gesprochen.

Konstruktivistische Ansätze haben grundlegend zu einer veränderten Sichtweise auf medienbasierte Lehrangebote geführt. Bei konstruktivistisch gestalteten Lehrangeboten handelt es sich um Lernumgebungen, in denen sich Lernende selbstgesteuert und handelnd mit ihrer Umwelt auseinandersetzen. Es sollen authentische Lernumgebungen sein, in denen komplexe Probleme bearbeitet werden.

Den Lehrenden kommt in konstruktivistischen E-Learning-Angeboten keine steuernde und kontrollierende Funktion mehr zu, sondern eine beratende bzw. unterstützende Funktion. Eine große Bedeutung haben der Austausch mit anderen Lernenden sowie der Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden. Die Lernumgebung sollte daher Kommunikation und Kooperation unterstützen.